News | 12.02.2021

Neue Wege für das induktive Laden

Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. 

Im Verkehrssektor kann durch die Elektrifizierung von Kraftfahrzeugen ein entscheidender Beitrag zur Reduktion der CO2-Emission geleistet werden. Leider sind einfache und komfortable Ladelösungen für Elektrofahrzeuge nicht selbstverständlich und es gibt demzufolge einen entsprechend hohen Bedarf an komfortablen Ladelösungen bei signifikant steigender Anzahl von E-Fahrzeugen im Straßenverkehr. Der Weg führt über das induktive Laden, was neben dem Komfort auch eine zukunftsweisende Alternative zum kabelgebundenen Laden ist. Das bidirektionale kontaktlose Laden von Fahrzeugen geht noch einen Schritt weiter und stellt ein neues und spannendes Thema in der Elektromobilität dar.

Das bidirektionale induktive Laden löst einen Teil der aktuellen Schwierigkeiten von kabelgebun­denen Ladestationen. Es entfällt zum einen das Anstecken unordentlicher, schwerer Kabel und zum anderen das manuelle Registrieren und Starten des Ladevorganges. Um diese Thematik weitergehend zu untersuchen, wurde durch ein Konsortium das Forschungsprojekt FEEDBACCar (Future Electric Energy Distribution by Aggregated Clusters and Cars with Automated Response) ins Leben gerufen. Die Firma Zollner Elektronik AG, einer der Konsortialpartner, hat in diesem Projekt maßgeblich die Entwicklung und den Aufbau eines induktiven, bidirektionalen Ladesystems, inklusive der Dimensionierung der Leistungselektronik, übernommen. Den Software-Anteil des Projektes hat die Firma Zollner in kooperativer Zusammenarbeit mit den Spezialisten der ServiceXpert Gesellschaft für Service-Informationssysteme mbH erfolgreich umgesetzt. Das Projekt FEEDBACCar (FKZ: 16EM3129-2) verfolgte dabei das Ziel, das E-Fahrzeug als Energiespeicher in Smart Home Konzepte einzubinden, um mit der bidirektionalen kontaktlosen Ladetechnologie auch eine Basis für neue Geschäftsmodelle zu legen. Die Anschaffung von Elektrofahrzeugen soll in dieser Kombination mit dem häuslichen Energie­management in Zukunft wirtschaftlich gestaltet und somit die Attraktivität der Elektromobilität erheblich gesteigert werden.

Besonders hohe Anforderungen hatte das Projekt in Bezug auf die Ladeleistungen, den Wirkungsgrad und die Sicherheit des Systems. Für das Laden und Rückspeisen ins Netz konnte ein Wirkungsgrad von bis zu 92 Prozent bei einer Ladeleistung von bis zu 11 kW erreicht werden. Letztlich wurde dieses Ergebnis durch das hervorragende Spulendesign und die darauf optimal abgestimmten Regelalgorithmen erzielt.

Ein weiteres Highlight in diesem Forschungsprojekt ist das integrierte Positionierungssystem, das dem Fahrer hilft, das Fahrzeug fehlerfrei über der Bodenspule auszurichten. Die Positionierung der beiden Spulen zueinander (fahrzeug- und bodenseitig) ist durch die Norm IEC 61980 geregelt, welche ein Positionierungsfenster in Bezug zum Spulenmittelpunkt vorschreibt. Das Positionierungssystem hilft damit nicht nur, die optimale Effizienz beim Laden zu erreichen, sondern auch die vorgeschriebenen Rahmenbedingungen für das Positionieren einzuhalten.

Um die Sicherheit des Systems sicherzustellen ist es notwendig Personen im näheren Umfeld des Systems vor potentiellen Gefährdungen durch elektromagnetische Strahlung zu schützen und metallische Objekte im Ladefeld zu detektieren, da diese sich erhitzen würden.

Deshalb wurden zwei Sensoriken integriert, die das Laden verhindern oder anhalten, wenn sich metallische Objekte zwischen den Spulen befinden oder sich Personen im direkten Umfeld aufhalten. Dem Fahrer wird das Problem angezeigt, so dass er die Objekte entfernen und den Ladevorgang erneut starten bzw. fortsetzen kann.

Das Ladesystem besteht fahrzeugseitig aus einer Spule und einer Fahrzeugelektronik und einer Spule mit Wallbox auf Infrastrukturseite, die miteinander über WLAN kommunizieren. Der gesamte Ladevorgang wird so gesteuert und überwacht. Bei der Umsetzung der kabellosen Kommunikation wurde das IPv6-Verfahren angewandt, das im Gegensatz zu IPv4 einen umfassenderen Adressbereich vorweist und so eine größere Zukunftssicherheit bietet, da die Anzahl der Geräte mit Internetverbindung steigt. Durch den Verzicht auf manuelles Registrieren mit einer Ladekarte und das manuelle Starten des Ladevorgangs konnte die Lösung stark vereinfacht und nutzeroptimiert werden. Das Steuergerät im Fahrzeug wurde mit einer vollständig AUTOSAR-konformen Software umgesetzt und ist damit für die Integration in die Serienproduktion vorbereitet. Die Ingenieure der ServiceXpert übernahmen zudem die Aufgaben der Konfiguration, Implementierung und die Integration der gesamten AUTOSAR-Anteile. Durch die jahrelange Erfahrung in der embedded Softwareentwicklung mit und ohne AUTOSAR sowie in den angrenzenden Bereichen Diagnose, Integration und Test konnten die Experten der ServiceXpert die Zollner AG in einer partnerschaftlichen Geschäfts­beziehung unterstützen und damit maßgeblichen zum Projekterfolg beitragen.

Die ServiceXpert erarbeitete dabei das Software-Design, die Software-Modellierung gemäß AUTOSAR Standard und die Konfiguration der kompletten AUTOSAR Basissoftware.

Des Weiteren übernahmen die AUTOSAR-Experten die Integration von Algorithmen zur Ansteuerung und Regelung der Leistungselektronik des DC/DC Konverters sowie die Implementierung der nötigen Funktionalität zur Anbindung an höhere und niedrigere Software-Schichten. Dabei wurden verschiedene Treiber (Complex Device Treiber) zur Generierung von insgesamt zwölf PWM Signalen implementiert und die Ansteuerung mehrerer Temperatursensoren über einen I²C Bus realisiert. Die Software Module auf den höheren Softwareschichten wurden nach dem aktuellen Stand der Technik entwickelt, um so die Möglichkeiten und Vorzüge, die ein AUTOSAR 4.2 Stack mit einem zurzeit modernsten Automotive Multicore Mikrocontroller mit sich bringt, voll auszuschöpfen. Aus diesem Grund wurden alle Zustandsmaschinen innerhalb der Software über den AUTOSAR BswM (Basic Software Mode Manager) modelliert und Kommunikationsschnittstellen (inklusive WLAN) über den AUTOSAR Kommunikations-Stack geroutet. Dadurch konnte eine maximale Abstraktion aller im System verwendeten Signale hin zu den Softwarekomponenten erreicht werden, was zur Modularität und Wartbarkeit der Software beiträgt.

Um derart komplexe Systeme testen und die Qualität der Software sicherstellen zu können, sind moderne automatisierte Testverfahren wichtig. Hier greift die ServiceXpert auf ihr langjähriges Know-how aus den Bereichen der klassischen Softwareentwicklung, Build- und Test-Automatisierung sowie Integrationstests mit „Hardware in the Loop“ (HIL) Simulationen zurück. Für das Projekt FEEDBACCar wurde ein Continuous Integration Server aufgesetzt, der neben automatisierten Software Builds und statischer Code Analyse (MISRA C, CERT C Secure Coding Standard) auch in der Lage war, die Software direkt auf die Hardware zu flashen, um anschließend automatisiert Integrationstests durchzuführen. Es wurden neben den marktüblichen Tools auch eigens entwickelte Lösungen wie z. B. ein Low-Cost HIL zur Stimulierung der Hardware und eine komplette Simulation der WLAN Kommunikation eingesetzt. Dadurch konnten alle Zustände im System getestet werden, ohne einen kompletten Systemaufbau vor Ort zu haben. Der Aufwand für die Integration des Steuergerätes in das Gesamtsystem wurde so signifikant verkürzt und trug damit maßgeblich zu einem erfolgreichen Projektabschluss bei.

Die Gesamt-Integration erfolgte abschließend in Zusammenarbeit mit der Zollner Elektronik AG zuerst an einem Laboraufbau mit allen Hardwarekomponenten und letztendlich in drei Prototyp-Fahrzeugen. Hierbei erwies sich die enge Partnerschaft mit der ESG Mobility als überaus nützlich, welche die Anbindung an die Fahrzeugschnittstellen realisierte. Somit konnte eine reibungslose Integration des Laboraufbaus in die Fahrzeuge gewährleistet werden.

Die erfolgreich ausgestatteten Prototypen wurde im Rahmen eines Technologietages „Induktives Laden“ der Zollner Elektronik AG am 17. Oktober 2019 erstmals vorgestellt. Unter den Teilnehmern waren auch Vertreter namhafter Automotive OEMs, die großes Interesse an der Lösung von Zollner und ServiceXpert zeigten.

ServiceXpert, ein Unternehmen der ESG-Gruppe, beschäftigt über 85 Mitarbeiter an den Standorten Hamburg und München. ServiceXpert ist ein europaweit operierendes System- und Softwarehaus mit einem fokussierten Leistungsportfolio für das Lifecycle-Management von EE-Informationen für führende Nutzfahrzeughersteller sowie deren Zulieferindustrie.

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